Alles im grünen Bereich
Alles dreht sich im Kreis
Das Verteilzentrum Schönbühl ist nichts für Morgenmuffel. Um 4.00 Uhr morgens herrscht auf dem Betriebsareal bereits emsiges Treiben. Duzende LKWs starten noch vor dem Morgengrauen ihre erste Tour, um die Filialen der Migros Aare mit Nachschub zu versorgen. Am Ziel satteln die Lastwagen-Chauffeure einfach um; sie stellen ihre Auflieger ab und bringen jene der letzten Lieferung gefüllt mit Retouren und Leergut zurück nach Schönbühl.
Die Mitarbeitenden der Filialen entladen die Anhänger nämlich selbst und füllen mit der gelieferten Ware die Regale. Danach beladen sie sie wieder mit allem, was nach dem Verkauf übrigbleibt: leere Paletten und Mehrwegkisten, Karton, Kehricht, Speisereste, PET-Verpackungen und vieles mehr. Die Supermärkte entsorgen nämlich nichts selbst. Stattdessen wird alles über die Retourenlogistik (RETLOG) in Schönbühl rezykliert oder entsorgt. Der Kreis schliesst sich.
Pro Tag docken durchschnittlich 320 LKWs an den 25 Rampen der RETLOG an.
Die neue RETLOG ist in Betrieb
Pro Tag docken durchschnittlich 320 LKWs an den 25 Rampen der RETLOG an. Sie ist das letzte Glied in der zunehmend digitalisierten Lieferkette. Die Anlage stiess in den vergangenen Jahren immer wieder an ihre Kapazitätsgrenzen. Deshalb wurde sie in einer ersten Etappe des Projekts «Logistikplattform 2030» ausgebaut und weiter automatisiert.
Seit 2021 ist die modernisierte Retourenlogistik vollständig in Betrieb. Dazu gehören die Retourensortierung, die Entsorgung und die Gebindebewirtschaftung: Nach ihrer Ankunft werden LKW-Anhänger und -Auflieger von Mitarbeitenden der RETLOG entladen . 4'000 bis 6'000 Paletten und weitere Gebinde mit vorsortierten Altstoffen und Mehrwegkisten nehmen sie pro Tag entgegen und stellen sie auf die neue vollautomatische Förderanlage . Im ersten Stock wird ihr Inhalt identifiziert und über automatische Kippstationen und Förderbänder) in Pressen oder Mulden geleert.
Vom Regal zum Recycling und zurück
Der grösste Teil der Retouren ist Altkarton – rund 9'000 Tonnen pro Jahr. Direkt ab Presse (siehe Bild 8) wird dieser im betriebseigenen Anschlussgleis in Waggons verladen und per Eisenbahn zur Model AG nach Niedergösgen (SO) verfrachtet. Das Familienunternehmen produziert damit neue Wellpappe und daraus Schachteln. Diese werden von der Industrie wieder mit Produkten bepackt und landen mitunter wieder in den Regalen der Migros Filialen. Wieder schliesst sich ein Kreis.
Vergleichbar funktioniert es mit den leeren PET-Flaschen: In Form von Pressballen werden sie auf Schienen ins PRS-Sortierwerk nach Frauenfeld geliefert (siehe Bild 9) und dort grösstenteils wieder zu Rohstoff für neue Flaschen verarbeitet (Bottle-to-Bottle-Recycling). Letztere werden von Getränkeherstellern wieder abgefüllt und im Anschluss - unter anderem - wieder in die Kühlregale der Migros Aare gestellt. Auch hier schliesst sich der Wertstoffkreislauf.
Erneuerbare Energie für Bern
Selbst Plastikverpackungen, Sperrgut und Bauschutt, Metall und Alteisen, Elektroschrott und sogar Sonderabfälle wie Batterien, Chemikalien oder Speiseöl werden in der Retourenlogistik gesammelt, zu unterschiedlichen Abnehmern spediert und von diesen verwertet oder fachgerecht entsorgt.
Was vom Altmaterial nicht verwertet wird, dient immer noch der Produktion von erneuerbarer Energie: Speisereste sowie Früchte, Gemüse, Fleischerzeugnisse und Backwaren, die nicht mehr geniessbar sind, liefert die Migros Aare der arabern, die daraus hochwertiges Biogas produziert und ins Gasnetz der Stadt Bern einspeist. Der Kehricht wird in der Energiezentrale Forsthaus zur Herstellung von Strom, Prozessdampf und Fernwärme genutzt.
Auch beim Leergut gibts keinen Leerlauf
Die leeren Mehrwegkisten werden in den zweiten Stock zur neuen vollautomatischen Gebindesortieranlage befördert (siehe Bilder 10 und 11). Von dort gelangen jährlich rund 40 Millionen Stück über die Leergebindeausgabe (siehe Bilder 12 und 13) sortenrein auf Paletten gestapelt wieder zu den Lieferanten, wo der Migros-Kreislauf von Neuem beginnt.
Die «RETLOG» in Zahlen*
Jährlich verarbeitet die Retourenlogistik des Verteilzentrums Schönbühl u.a. rund…
40'000'000
Mehrwegkisten
2200000
Paletten
8900 t
Karton
780t
PE-Milchflaschen
730 t
Elektroschrott
5t
Kehricht
2t
PET-Flaschen
490t
Metall und Alteisen
330t
Kunststoff
97t
Batterien
* Zahlen 2021 gerundet
Effizienz und Selbstversorgung steigern
Die Verteilzentrale in Schönbühl ist einer von nur vier Standorten im Kanton Bern, die eine eigene Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) betreiben dürfen. Die Migros Aare verbrennt dort aber nicht den Abfall ihrer Retourenlogistik, denn der wird an die Energiezentrale Forsthaus geliefert (siehe Hauptartikel). In der betriebseigenen KVA wird vielmehr ausschliesslich Holz von defekten Paletten und Einwegpaletten sowie nicht belastetes Restholz verwertet.
Der erneuerbare und CO2-neutrale Rohstoff wird gehäckselt und zur Produktion von Wärme zum Heizen sowie von Kälte für die Logistik und zum Klimatisieren genutzt. Die selbst produzierte Energie reicht aus, um 100 Prozent des Wärmebedarfs und 30 Prozent des Kältebedarfs der Betriebszentrale, des Shoppylands, des OBI-Baumarkts und der Micarna zu decken. Ein aktuelles Projekt zum Ersatz der KVA durch eine moderne Energiezentrale sieht zukünftig auch die Stromproduktion vor.
Ein Teil des benötigten Stroms wird schon heute vor Ort auf den Dächern der Betriebszentralen und Einkaufscentern in Schönbühl produziert. Diese sind flächendeckend mit Solarmodulen bedeckt, die jährlich rund 1’900 Megawattstunden Solarstrom erzeugen - das entspricht dem jährlichen Stromverbrauch von rund 420 Haushalten. Der Grossteil ihres Bedarfs deckt die Migros Aare momentan aber noch mit Strom von erneuerbaren Energieträgern aus dem Versorgungsnetz. Um diesen Anteil zu reduzieren, setzt die Genossenschaft fortlaufend Energiesparmassnahmen um: Im Berichtsjahr wurden beispielsweise sämtliche Leuchtmittel der Betriebszentrale und des umliegenden Areals auf LED-Technik umgerüstet. Dadurch wurde der Energieverbrauch der Beleuchtung um rund 80 Prozent gesenkt.
Recyceln will gelernt sein
Die Wiederverwertung von Altstoffen ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch sehr sinnvoll – besonders in einem Land wie der Schweiz, das kaum über eigene Ressourcen verfügt. Die Migros Aare bietet deshalb seit August 2021 eine Lehrstelle als Recyclist/in EFZ an. In diesem Beruf sind sowohl Köpfchen als auch Muskeln gefragt: Die Auszubildenden nehmen die Altstoffe entgegen, prüfen und sortieren sie und sorgen anschliessend dafür, dass sie wieder dem Wertkreislauf zugeführt oder fachgerecht entsorgt werden.
Damit leisten sie nicht nur einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz. Der Lehrberuf bietet den jungen Erwachsenen auch eine sinnstiftende Tätigkeit mit guten Perspektiven; entsprechend qualifiziertes Fachpersonal ist nämlich sehr gesucht. Eine weitere Lehrstelle als Recyclistin EFZ oder Recyclist EFZ hat die Migros Aare für das Jahr 2022 bereits ausgeschrieben.